Neulich ging ich nichts ahnend durch unsere Fußgängerzone, holte mir meinen üblichen Caffee Latte Venti bei Starbucks und schlenderte ziellos weiter. Plötzlich begann der etwas schäbig aussehender Mann, der fast bewegungslos auf einer Bank hinter Karstadt saß, an zu singen. Ich war sofort in seinen Bann gezogen, denn die äußerliche Erscheinung und sein Habitus standen im krassen Gegensatz zu seinem himmlischen Gesang. Natürlich nahm ich auf einer Bank gegenüber Platz und ließ mich über eine Stunde lang verzaubern.

Es kam, wie es kommen musste. Bei bestimmten Operntiteln, allen voran bei Nessun Dorma aus Turandot (Puccini) kamen mir die Tränen der Rührung. Vor allem in dem Moment, wo er zum ersten und einzigen Mal seine starre Haltung aufgab, die Arme ausbreitete und alle Anwesenden einfach umgehauen hat. Zum Glück hatte ich eine Sonnenbrille auf, so dass ich meine Rührung wenigstens ein bisschen verstecken konnte, obwohl es mir eigentlich gleichgültig war, was die anderen Leute gedacht haben mögen.

Was soll ich sagen – ich liebe die Oper. Zumindest die Komponisten, die einigermaßen eingängig sind. Der fliegende Holländer von Wagner war zum Beispiel gar nichts für mich. Zu schwer, zu unmelodiös, zu lang. Dagegen öffnen die Italiener wie Puccini und Verdi einem das Herz.

Aber mal ehrlich, was gibt es schöneres, als sich schick zu machen, in die Oper zu gehen – Wiesbaden hat ein so wunderschönes Theater, dass einem allein schon die Tränen kommen – und sich ganz der Musik auszuliefern.

Leute die zum ersten Mal in der Oper sind reagieren oft sehr überraschend. Entweder mögen sie die Oper, oder sie hassen sie. Wenn sie die Oper lieben, dann ist es für immer. Die anderen – tun mir leid. Denn die Musik wird nie ein Teil ihrer Seele werden.

Das hat Julia Roberts im Film Pretty Woman wirklich gut verkörpert und Richard Gere gut gesagt…man liebt die Oper, oder man hasst sie. Ich liebe sie. Und muss weinen – weil es so wundervoll ist und mir in jede Ecke des Körpers fährt.

Einmal war ich mit meiner Mutter in der Oper. Ein Weihnachtsgeschenk von mir. La Boheme. Ich war gebannt und lauschte entzückt, bis ich von einem nervigen Gerotze links von mir abgelenkt wurde. Genervt drehte ich mich zu meiner Mutter um und wollte sie gerade zu Recht weisen, als ich sah, wie sie weinte. Einer der Momente, wo ich sie wirklich sehr gern hatte.

 

Zurück in der Fußgängerzone

Einmal mehr hat mich natürlich bewegt, dass der Mann wirklich eher abgerissen aussah. Natürlich erinnert das unmittelbar an die Erfolgsgeschichte von Paul Potts, der sicherlich nicht der beste Tenor schlechthin ist, aber eben gerade auch bei ihm das Äußere so gar nicht auf sein Talent schließen ließ.

Vielleicht sind Menschen, die uns überraschen, die ganz anders sind, als wir erwarten, diejengen, die uns bewegen, begeistern und eben auch zu Tränen rühren können. 

An jenem Tag sind viele Leute stehen geblieben, auch länger, aber die meisten waren achtlos. Es mag sein, sie hatten keine Zeit, oder sie mögen einfach keine Oper, was ich verstehen kann, aber schade fand ich es dennoch. Wir Liebenden haben ihn allerdings ordentlich beklatscht und ihm großzügige Trinkgelder spendiert! Ich wünschte, Herr Wüscher, mit seiner etwas schmuddeligen, schlecht gedruckten Karte, hätte dieses Quentchen Glück, dass Paul Potts hatte. Verdient wäre es allemal.

Tenor - Herbert Wüscher

Und ja. Natürlich war Pavarotti (R.i.P) tausendmal besser, aber was bewegt Euch mehr? Kann Euch die Oper überhaupt bewegen?

https://youtu.be/rTFUM4Uh_6Y

 

2 replies on “Perlen der Wiesbadener Fußgängerzone oder Wie sehr mich die Oper bewegt

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