Ich bin verliebt. Wir hatten gestern Jahrestag des Zusammenkommens. 16 Jahre später bin ich immer noch mit niemandem lieber zusammen als meinem Schmutzl äh Spatzl. Passt also. Auch ohne viel Gedöns darüber.

Aber diese Liebe hab ich jetzt eh nicht gemeint, denn die hat ja nichts mit „Vernachlässigung“ zu tun. Vielmehr habe ich mich auf meinen Corona-Spaziergängen verliebt.

Und jetzt nur ja nicht meckern, dass ich schon wieder das C-Wort anbringe, denn das C-Wort beschäftigt uns jetzt wieder deutlich mehr und das nur deshalb, weil zu viele das C-Wort runtergespielt haben und sich leider unverantwortlich auf Parties und sonstwo rumtreiben, als wäre alles normal. Isses nicht, wird es auch nicht kurzfristig und am Ende auch mittel- oder langfristig nicht. Wegducken und verleugnen ist einfach nur Unsinn.

Aber zurück zu der Vernachlässigung meiner neuen Liebe. Es ist ein Haus in der Nachbarschaft, dass jedesmal ruft, wenn ich vorbeigehe: Nicole, liebe mich! Hege und pflege mich und mach mich wieder schön. Erfülle mich mit Leben, gib mir Details, versprühe Deine Seele und lass mich strahlen!

Ich lebe in einer recht exklusiven Gegend von Düsseldorf. In unmittelbarer Nachbarschaft vom Yachthafen und eben direkt am Rhein. Es gibt in meiner Nähe eigentlich nur sehr gepflegte Häuser. Und auch wenn nicht jedes meinen Geschmack trifft, so ist Ihnen allen gemein, dass viel Geld in ihnen steckt. Darüber, dass man Geschmack nicht kaufen kann, müssen wir ja jetzt nicht reden.

Umso merkwürdiger, dass in dieser neureichen Nachbarschaft eine Traumhäuschen vor sich hin rostet.

Oder rastet es nur und darauf wartet, dass ich es aus seinem Dornröschenschlaf befreie?

Wohneigentum war für mich eigentlich nie sonderlich erstrebenswert. Irgendwie widersprach das immer meinem unbedingten Streben nach Unabhängigkeit. Und jetzt, mit über 50 ohne Kinder macht Eigentum natürlich gar keinen Sinn mehr.

Aber dieser Balkon hat es mir angetan.

Ich sehe mich Morgens die Läden aufstoßen und heraustreten. Mich nach allen Seiten recken und strecken und in die wilde bunte Pracht des Gartens schauen. Beim ersten Kaffee würde ich meinen Blick in die Ferne richten und könnte von hier aus auf den Rhein schauen. Wenn ich an dieses Haus denke, überkommt mich der Drang alles selber machen zu wollen. Alle Läden abzuschleifen, den Garten zu entwuchern und Zimmer für Zimmer mit größter Behutsamkeit mit neuem Leben zu füllen. Spartanisch, aber seelenvoll.

Natürlich habe ich geforscht, wie es sein kann, dass es hier unter den Reichen und schönoperierten ein so zauberhaftes Häuschen leer steht und verfällt. Es stellte sich heraus, dass es Opfer von Spekulanten wurde, nachdem es unter den Hammer gekommen war. Eine „Villa“ der 50er Jahre, dass ein Bauunternehmer für den schlappen Kaufpreis von 2,8 Millionen Euro (Waaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaas????????????????) gewerblich nutzen will.

Gewerblich?

Mit anderen Worten er wird das Riviera Hexenhäuschen abreißen und dann was? Wir sind in einem reinen Wohnviertel. Eigentlich müsste Grace Kelly oder Sophia Loren hier wohnen und mit ihrer Schönheit zur Schönheit des Hauses beitragen.

Ich übernehme quasi nur posthum.

Aber 3 Millionen hab ich leider gerade nicht einstecken. Ich würde es sofort kaufen, auch wenn mein Liebster nur die Augen verdreht. Gerade eben, wo er mich hier verträumt grinsend schreiben sieht und herausfindet, dass es um „mein“ Haus geht. Er will nämlich nie wieder umziehen.

Ich liebe umziehen. Umziehen ist wie damals in der Schule beim neuen Schuljahr. Ich war super happy über meine neuen Hefte, ordentlich mit den bunten Plastikumschlägen umhüllt. Blitzsauber. Jungfräulich. Für 2-3 Tage. Solange habe ich es in der Regel geschafft ordentlich zu bleiben. So clean, wie ich es schön finde…

Zieht man um, ist es genauso. Alles ist jungfräulich. Man kann seine Handschrift aufprägen. Ich liebe unsere Wohnung und wir haben es uns wirklich schön gemacht hier. Der Blick von unserem Balkon geht in die preisgekrönte Design Anlage.

Nur hat dieses Haus trotz seiner Perfektion keine Seele. Wisst ihr was ich meine? Perfektion ist am Ende des Tages ohnehin irre langweilig. Im nachhinein betrachtet haben mir auch meine Schulhefte besser gefallen, wenn ich sie von oben bis unten vollgekritzelt hatte.

Übrigens mache ich als große Bücherliebhaberin trotzdem auch Knicke in die Seite, auf der ich stehen geblieben bin. Ich breche auch mal den Rücken, lege sie mit dem Gesicht auf den Tisch oder wohin auch immer. Alles vermeintliche No-Gos, aber meine Bücher dürfen auch leben. Je mehr ich mit ihnen in den Klinsch gehe, desto lieber habe ich sie.

Auch in der Richtung bin ich übrigens frisch verliebt. So verliebt, wie ich ja schon in die „Souveräne Leserin“ war!

Was soll ich sagen. Die kleinen Bände von Alan Bennett bringen mich mit diesem pointierten, furztrockenen britischen Humor derart zum Lachen…

Dem konservativem, zutiefst langweiligen Ehepaar Ransome wurde die Wohnung ausgeräumt während sie in der Oper waren. Und zwar vollständig. Inkl. des Klopapiers. Und ein solcher Raub kann sich schon mal auf die Verdauung schlagen, nicht wahr?

Zumindest muss sich Mrs. Randsome keine Gedanken darüber machen, dass ihre Braten zu trocken geworden ist. Denn der ist weg. Mit dem Backofen. Göttlich.

Ihr seht: ich lenke mich so gut wie möglich von meinem Haus ab. Auch Abends. Immerhin ist es ja jetzt schon kalt genug für Glühwein. Oder wie?

Kuschligen Sonntag Ihr Lieben. Ich spiel jetzt mal Lotto und träume eine bisschen weiter.

33 replies on “Herzbluten wegen Vernachlässigung

  1. Ja, die Häuschen in Golzheim, sie haben ihre Geschichte… In Dein Kimono habe ich mich verliebt. Steht Dir sehr gut. Hab eine jute 😉 Woche! Viele Grüße aus einem Kulturcafe in Limburg, „Pastorale“ (ehemalige Friedhofskapelle 🙊🙉). Maria

  2. Viel Glück beim Lotto! Ich fürchte, wenn du es nicht neu zum Leben erweckst, dann wird es wohl einem mehr oder weniger schönen Neubau weichen müssen.
    Dein Haus im Dornröschenschlaf sieht wunderhübsch aus. Ich fürchte nur, Haus und Garten würden auf Dauer jede Menge Arbeit machen… außer, von den Lotto-Millionen bleibt genug für einen Gärtner und eine Haushälterin übrig. Ein engagierter Vollzeitjob und ein Garten – das passt niemals zusammen. Ich bin immer noch jeden Tag froh, dass ich keinen Garten mehr habe. Er war wunderschön und doch auch eine ewige Last.
    Liebe Grüße
    Fran

  3. Liebe Nicole,

    also hör mal. Nun zier Dich nicht so. Die 3 Millionen….. kannste doch mal aus der Portokasse bezahlen. *lach**grins*

    Ne, jetzt mal im ernst. Schade um das schöne Haus. Als mein Mann das Foto sah, sagte er nur. Als erstes käme das ganze Grünzeug von den Wänden weg. Hach… da kommt wieder der praktische durch. Weil ! Das GRÜNZEUG macht das Mauerwerk kaputt.

    Schön, wäre es ja, wenn es wieder hergerichtet werden würde und Büroräume daraus gemacht werden würden, aber seinen Charme behalten dürfte. Das hat ein Lieferant von mir gemacht und er nutzt die Villa für verschiedene Büroräume und Tagungsräume. Die Mitarbeiter haben sogar eine Küche und im Garten können die dort in der Mittagspause dort verweilen. Die Firma hat es im Original von aussen so behalten und den Garten auch. Eher noch schöner jetzt.

    A pro pro Streichen etc. Ich überlasse Dir gern unser 1900qm großes Gründstück, das Haus kannst Du abziehen, dann hast Du noch genug Garten um zu werkeln. 🙂 Du bist herzlich eingeladen. Wir (dein Mann, mein Mann und ich) schauen Dir gern dann zu. Wir genießen dann beim „Getränk“ an unserer Outdoortheke…. Wir haben noch so einige Baustellen….Ich warte auf Dich.

    🙂 Liebe Grüße, Elke

    1. Nee, nee, nee, Elke….ich werkle nur, wenn es im Anschluss mir gehört 🙂
      Ich bin gespannt was mit der Villa geschieht. Wenn ich am Samstag Millionärin bin, dann werde ich es vermutlich nicht ernsthaft kaufen, denn die Ratio (Ü50 und keine Kinder) bleibt ja an sich erhalten…
      Vermutlich würde ich ohnehin wenig an meinem Leben ändern. Eigentlich passt alles, wobei ich vermutlich eher studieren, als arbeiten würde 😉
      LG und schöne Woche,
      Nicole

      1. *lach* Wenn ich am Wochenende die dicken Millionen gewinne, dann hole ich alle Handwerker und Gärtner und schaue den beim arbeiten zu. Juhu, wir bräuchten es nicht machen. Mein Job würde ich adiö sagen, die Stimmung hier ist sowieso nicht soooo…. Studieren, oder ganz viele DIY und Nähkurse und Sprachkurse. Also langweilig würde es mir nicht werden und als allererstes würde ich mir eine neue Brille kaufen und ein E-Bike.

        LG und Dir auch eine schöne Woche.
        Elke

      2. hahaha….na das sind ja sehr genaue Pläne. Man könnte meinen, Du hättest das Szenario schon das eine oder andere Mal durchgespielt 😉
        Also Brille….da würde ich ja jetzt nicht warten….brauchst Du doch, oder???
        Wenn ich gewinne, dann schenk ich Dir eine. Prada!

  4. Hallo Nicole,
    jetzt blutet auch mein Herz. Das Haus ist wunderschön und sollte definitiv nicht für gewerbliche Zwecke genutzt werden. Dort sollte es wohnlich werden, gemütlich und nach zu Hause anfühlen 🙂 Aber nun ja, wir können es nicht ändern, denn ich habe auch keine 2,8 Millionen Euro 😀

    Wünsche dir einen tollen Dienstag!

    Liebst Linni
    http://www.linnisleben.de

  5. Liebe Nicole,
    erstmal herzlichen Glückwunsch zur 16! Dann ist die Pubertät vorbei und es geht weiter (Kleiner Scherz) Ich finde es schön, wenn man nach langer Zeit noch so denkt. Keinesfalls selbstverständlich.
    Aber dass du dich verliebt hast, das kann ich sowas von verstehen. Es ist genau der Hausstil, den ich so gerne mag (ein bisschen wie unser altes).
    Mit Lottogewinn, von dem nach dem Kauf noch etwas übrig bleibt zum Renovieren, Bewirtschaften und so weiter- mach es!
    Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie hoch die Immobilienpreise in eurer Gegend sind. Irre- drei Millionen- ohne Renovierung. Puh!
    Sonst genieß deine Wohnung- die ist schön und hat eine gute Lage.
    Aber zwinker dem Haus bei deinen Spaziergängen zu- es liebt dich sicher zurück.
    Und ich gebe dir Recht>: Das C wird uns noch länger begleiten und es totzuschweigen oder zu leugnen, lässt es nicht verschwinden. Da müssen wir durch!
    Hab einen schönen Tag.
    Liebe Grüße
    Nicole

    1. Danke Nicole!
      Das Haus ist wirklich ein Träumchen. Ich denke intensiv darüber nach den Immobilienhai zu kontaktieren und mich als Sklave zur Verfügung zu stellen, gegen z.B. Mieterlass. Ich denke allerdings realistisch….er wird das Häuschen abreißen. Hier geht es nur um Grundstück in Top Lage….
      Traurig.
      Einer der Gründe, warum ich so gerne Filme aus der Zeit schaue. Irgendwie war früher ja doch mehr Lametta, oder?

      LG Nicole

      1. Ja, manchmal ist das echt so, da hast du recht.
        Obwohl solche Schätzchen eine so qualitative Substanz haben.
        Aber Sklavin ist nicht gut 😂.
        Wer weiß, was wird.
        Liebe Grüße

      2. Guten Tag,
        der Immobilien-Hai ist tot!!
        Die alte Villa steht schon Jahre leer wegen Erbstreitigkeiten.
        Der Immobilien-Hai hat es irgendwann ersteigert und ist dann gestorben.
        Ich habe dort in der Nähe mal gewohnt und eine ältere Dame hat mir diese Geschichte erzählt.
        Grüße Jutta

  6. Ach liebe Nicole, da bist Du wie ich. Ich kann Dich schon förmlich auf dem Balkon sehen. Müssen wir nur noch eine Bank überfallen oder so. Ich habe im Urlaub in Slowenien etwas Ähnliches entdeckt und sehe mich schon als Hotel- oder Bed-and-Breakfast-Besitzerin.
    Träumen darf man ja wohl…..
    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
    Sigrid

    1. Oh ja…..da kenne ich auch ein paar Orte. Z.B. in der zauberhaften Provence. Da ich so wunderbare Erfahrungen mit Bed&Breakfast gemacht habe, wäre ich sofort mit von der Partie. Sag Bescheid 😉

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