Und wieder hat Nick Hornby mich begeistert. Keine wirkliche Überraschung, denn im Grunde fand ich seit „High Fidelity“ alle seine Bücher klasse.

Traditionell lese ich Hornby auf Englisch. Zum einen sind seine Bücher meist nicht sonderlich lang, zum anderen verwendet er eine gut verständliche Sprache. Also ich meine jetzt im Gegensatz zu klassisch englischer Literatur, wie Charles Dickens, die ich auch im Original gelesen habe. Das dauert dann schon mal.

Hin und wieder auf Englisch zu lesen hält in Übung. Während man sein Business Englisch in der Regel auf wenige Wörter einschränkt, öffnen Romane für Redewendungen und einfache Umgangssprache. Harry Potter hatte ich auch auf Englisch gelesen und mir eingebildet, so könne ich zumindest ansatzweise verargumentieren, dass ich süchtig nach diesen Fantasy-Jugendbüchern war…

Wie auch immer. Aktuell (und ich hänge hinterher, denn es gibt bereits ein neues Buch von ihm) hatte ich mich gestern in „State of the Union“ versenkt.

Louise und Tom treffen sich in jedem Kapitel (A marriage in 10 parts) im Pub gegenüber des Hauses ihrer Therapeutin Kenyon (was für ein bescheuerter Name – da hat Tom nicht unrecht…). Wir erfahren schnell den Grund für die Ehetherapie. Louise ist fremd gegangen, weil sie in der Ehe keinerlei Sex mehr hatten.

Oder ist die Affaire gar nicht der Grund für die Therapie?

Es gibt einige Fragen zu klären. Ist die Affaire eine Reaktion auf die Sexlosigkeit der Beziehung, oder ist die Beziehung sexlos, weil sie im Grunde vorbei ist?

Auf welche Weise zeigt sich Liebe? Ist mangelnde Liebe, oder mangelndes Begehren der Grund für die Affaire? Wie schwer ist die Frage zu beantworten: „Liebst Du mich?“

Well…

Das lakonische „Well“ im englischen habe ich immer geliebt. In der Schule habe ich jeden Satz mit „Well“ angefangen. Einfach eleganter als ‚Hm‘, ‚Ähem‘ …

Vor der ersten Sitzung flieht Tom, obwohl Louise bereits geklingelt hat. Aus der Perspektive des arbeitslosen Tom eine Großtat, für die es im wahrsten Sinne des Wortes Eier braucht. Eier so groß wie Globen.

Unnötig zu erwähnen, wir sehr ich den Sarkasmus von Hornby mag.

Der Roman ist in zehn Kapitel gegliedert. Jedes Kapitel beginnt mit dem Treffen im Pub. Sie einen Wein, er ein Pint. Sie versuchen die Strategie, den Fokus der bevorstehenden Stunde zu besprechen, kommen aber regelmäßig von Stöckchen auf Steinchen, während sie andere Paare, die vor oder nach Ihnen die Therapie besuchen beobachten.

Sicherlich wird sich jeder von uns dabei erwischen, ähnliche Gespräche geführt zu haben.

Eine besondere Spezialität, die Frauen und Männer meiner Ansicht nach grundlegend unterscheidet, wird auch bei Hornby thematisiert.

Der Subtext.

Welche Frau, welcher Mann, welche Beziehung kennt ihn nicht. Mir persönlich geht es auch sehr häufig so, dass ich etwas in ein Gespräch hinein interpretiere, was gar nicht explizit ausgesprochen wurde. Rekapituliert man das Gespräch, sollte man sich wirklich strengsten kontrollieren, denn – und das gebe ich gerne zu – Frau interpretiert gerne zuviel.

Es ist herrlich komisch mit ernstem Hintergrund.

Eine lang andauernde Beziehung kann schal werden. Man kann voneinander gelangweilt sein. An einem Punkt im Buch stellt Louise die Frage, ob die beiden befreundet wären, wenn sie niemals miteinander ins Bett gegangen wären. Mit anderen Worten: bin ich ein Mensch, den Du um Dich haben wolltest, auch wenn Du nicht mit mir ins Bett könntest? Die Frage zwingt Tom auf dünnes Eis, denn die Antwort ist nein. Die ehrliche Antwort ist, dass die nicht allzu viel gemeinsam haben.

Die Auseinandersetzung der beiden ist extrem spaßig. Sehr ironisch, sehr wahr.

Ich will ja nicht das Ende verraten. Tue ich auch nicht. Nur so viel. Die Lage der Nation verbessert sich. Die Omen sind gute Omen.

Hornby schafft es, ein schwieriges und relevantes Thema kurz, komisch und auf den Punkt in Worte zu fassen. Was hält eine langfristige Beziehung zusammen. Ist Sex der Unterschied zwischen Freundschaft und Beziehung? Was mich erstaunt hat ist, dass für die Beiden der Fehltritt von Louise nicht im Mittelpunkt steht, sondern sehr konkret darauf fokussiert wird, warum das passiert ist Ich persönlich würde da anders reagieren muss ich zugeben. Für mich wäre ein Seitensprung ein K.O. Kriterium. Ich bin ziemlich sicher, dass ich es nicht verzeihen könnte. Selbst wenn ich es versuchen würde, müsste ich dauernd daran denken.

Am Ende des Tages halte ich Vertrauen für den Schlüssel jeder Beziehung. Wenn ich jemandem nicht vertrauen kann, kann ich nicht loslassen. Für mich wäre das mit ständiger Unruhe verbunden. Ein Zustand, den ich mir gar nicht vorstellen möchte. Da wäre ich dann lieber allein – beziehungstechnisch.

Wie seht ihr das?

Hornby, von dem ich alle Bücher uneingeschränkt empfehle, hat mir mit seinem kleinen Taschenbuch ein paar vergnügliche Stunden bereitet, während draußen der Herbst tobte. Schöne Tasse Tee, kuschliger Sessel und eine Kerze – ein perfekter Samstag Nachmittag.

31 replies on “Kein Sex ist auch keine Lösung

  1. Hallo Nicole,
    langsam wird es mir ein wenig unheimlich: auch ich liebe die Bücher von Nick Hornby und lese sie, wenn möglich im Original. Ich habe mir angewöhnt, ein englisches und ein deutsches Buch im Wechsel zu lesen. Und finde, dass sich manche Bücher am besten in der Originalsprache erschließen und auch mancher Witz! Wobei ich auch schon mal an meine Grenzen gekommen bin und der Sprache nicht recht folgen konnte. Zu mühsam macht auch keinen Spaß!
    Dein vorgeschlagenes Buch kenne ich noch nicht, werde es mir zulegen.
    Einen schönen Sonntagnachmittag und liebe Grüße
    Erika

    1. Ach wir schön, Erika. Das freut mich sehr. Gleichgesinnte! Er hat tatsächlich gerade noch eines rausgebracht „Just like you“. Liegt in meinem Einkaufswagen. Übrigens finde ich oft die Originalausgaben schöner gestaltet, als die Deutschen Varianten….
      Im Wechsel würde ich nicht schaffen. Dafür bin ich zu ungeduldig…..
      LG und schönen Sonntag, Nicole

      1. Irving war ich auch lange Fan. Ging aber irgendwann nicht mehr. Boyle finde ich immer noch toll. Auster und Frantzen mag ich übrigens auch.

      2. Da bin ich bei Beiden dabei! Plus Suter. Wenn ich Dir noch was empfehlen darf:
        Pablo Tusset und natürlich Andrei Kurkow, falls Du sie nicht kennst. Könnte was sein.

  2. Hört sich gut an Nicole, werde ich mir gleich heute auf den Kindle laden, hab nämlich gerade ein anderes Buch fertig. Aber auf Deutsch, mein Englisch lässt leider zu wünschen übrig.
    Schönen Restsonntag noch
    Sigrid

  3. Liebe Nicole,
    danke für den Tipp und die Erinnerung an Nick Hornby. Habe ich schon lange nicht mehr in der Hanf´d gehabt.
    Liebe Grüße
    Susanne

    1. Ein wunderbarer Beitrag, Nicole, mit den Kommentaren liest sich wie ein netter Literaturclub 😊. Hornby steht noch nicht in unserem Bücherregal, ist aber verlockend. Persönlich lese ich gerne H. J. Ortheil (Paris!), Jean-Philippe Blondel (Frankreich!) und ziemlich schräg A. Nothomb, Peter Stamm „Seerücken“ – absolut eine meiner Geschmacksrichtungen. Auf den Beistelltischen liegen ready to read Zen-Bücher, Ayurveda-Bücher von Dr. Ulrich Bauhofer, kennengelernt im Rahmen der Weimarer Visionen, „Der Club“ von Takis Würger und seit 2 Jahren! „das Jahrhundertbuch“ „Horcynus Orca“. Vielleicht klappt es in diesem Herbst, begleitet von traumhaften grauen und norddeutsch-neblig graublauen fetten Kerzen und Marzipan-Rooibostee (Geschenk). Horcynus O. habe ich bei Frau Dr. Prager gekauft, in meiner weltweit liebsten Buchhandlung, in der ich leben könnte… 😉 Liebe Grüße, Maria

      1. Liebe Maria,
        hihi….das hast Du schön geschrieben!
        Übrigens: Otheil (Die große Liebe) hatte ich auch schon. Hat mir gut gefallen. Von Blondel hatte ich den 6 Uhr 41 angefangen, der ist aber irgendwie nicht an mich gegangen (Welches empfiehlst Du?), Nothomb finde ich herrlich (böse), Stamm fand ich großartig.
        Was Sachbücher oder Ratgeber betrifft, so muss ich passen. Wobei….ich hab mal ‚Das Buch der Meschlichkeit‘ vom Daleih Lama gelesen und ein Buch über Taoismus ‚Das Tao ist lächeln‘. Beide haben mir über eine sehr schwierige Zeit hinweggeholfen, weil sie meinen Blick für neue Horizonte geöffnet haben. Dafür bin ich dankbar, brauche aber keine weiteren Reminder (in meinem hohen Alter) 🙂
        Rooibostee und/oder Marzipan sind für den Herbst unabhängig von der Lektüre sicher eine gute Idee!
        Hab ne schöne Woche!

  4. Uhu… der Titel hat in sich! Ich stimme dir auch direkt zu, so ein Seitensprung ist ein Vertrauensbruch. Eine Beziehung kann daran zerbrechen. Ich wünsche dir einen kuscheligen Abend und sende liebste Grüße!

  5. Liebe Nicole,
    Ich gestehe, ich habe noch nichts von Nick Hornby gelesen.
    Aber ich gebe dir Recht: Vertrauen ist in Beziehungen generell unabdingbar.
    Denn Bewachung schützt auch vor Abhauen nicht. Im Gegenteil.
    Deshalb bin ich bei dir.
    Ich wünsche dir noch einen schönen Tag.
    Liebe Grüße
    Nicole

    1. Waaaaaaaaaaaaaaaaaas? Eine echte Bildungslücke – Scherz – aber tatsächlich schade, denn er gefällt Dir bestimmt.
      Was das Vertrauen betrifft, so bin ich glücklich sagen zu können, dass mein Liebster denkt wie ich. Insofern keine Gefahr 😉
      Hab ne schöne Woche!

  6. Liebe Nicole,

    in Englisch ! Oha, Wenn ich daran denke, das ich da mal eine eins in der Schule hatte. Jetzt beim lesen, purzeln mir die Wörter einfach so um die Ohren. Verstehen ja, sprechen…. hmmm geniere ich mich. Beruflich habe ich seit über 30 Jahren nichts mehr mit Englisch zu tun. Ausser dem anderen zu sagen, das mein Kollege im Meeting ist und das kann ich wohl so gut, das die mich immer voll plappern und ich dann panik bekomme etwas zu sagen und wenn ich dann wieder schön herausbekomme, das mein Englisch schlecht ist, dann sagen die. Nööö, das ist gut. häää 🙂 🙂

    Vielleicht sollte ich es mal versuchen. Aber den Nick Hornby kenne ich auch nicht. Wie bei so vielen Autoren bei Dir. Da erweiterst Du mein wissen echt ungemein. Danke schön. Ich schau dann demnächst in der Buchhandlung mal nach Nic Hornby. Gib doch mal ein Tipp, mit welchen Buch sollte ich bei Ihm anfangen.

    Hab noch einen schönen Wochenteiler.

    Liebe Grüße
    Elke

    1. Hi Elke, freut mich, wenn ich Dich in Sachen Büchern überraschen kann 🙂
      Das bekannteste Buch von Hornby ist sicherlich „High Fidelity“. Das ist auch verfilmt worden (sowie auch About a Boy – mit Hugh Grant). Beide kann ich uneingeschränkt empfehlen, wobei die Verfilmung von High Fidelity (mit John Cusack) noch besser ist.
      Was das Englisch betrifft…man muss ja nicht…ist aber schade, wenn Du es brach liegen lässt. Am Ende des Tages braucht man es ja zumindest oft im Urlaub, oder? Manchmal ist es auch super, wenn man Bücher, die man auf Deutsch gelesen hat im Original hinterherschiebt. So habe ich es mit meinen geliebten Jane Austen Büchern oft gemacht. Dann kennt man den Kontext und muss nicht jedes Wort nachschlagen. Mit jeder Seite und jedem Kapitel erschließt sich einem automatisch mehr…
      Schöne Restwoche, meine Liebe!

  7. Hallo Nicole,
    das klingt echt sehr interessant und spannend. Ich sehe es wie du, dass jede Beziehung auf Vertrauen basieren sollte, aber mir wäre es auch wichtig zu erfahren wieso und das wäre für mich das erste Gespächsthema. Wie man am Ende damit umgeht, ist dann nochmal ein anderes Thema.
    So unterschiedlich sind die Menschen 😀

    Schönen Mittwoch!

    Liebst Linni
    http://www.linnisleben.de

    1. Hi Linni, Du meinst ‚Wieso kein Sex‘, oder ‚Wieso hast Du mich betrogen‘?
      Ich glaube, mir wäre es wurscht, warum mich jemand betrügt. Für mich würde es generell einen Schatten auf seinen / ihren Charakter werfen. Irgendwie erwarte ich von jemandem, mit dem ich in einer langjährigen Beziehung bin Respekt. Betrug finde ich respektlos….
      Weiß nicht, vielleicht Altersstörrigkeit 🙂
      Aber eh egal, weil wir uns darüber ja gar keine Gedanken machen müssen (Du, so frisch verheiratet, ja eh nicht!).
      Nichts desto trotz lese ich immer unheimlich über psychologische ‚Un’tiefen…
      LG und schöne Restwoche,
      Nicole

      1. Ich denke, dass man es auch nur sicher sagen kann, wie man reagiert, wenn man es erlebt. Und du hast recht! Bei uns ist es nicht der Fall und wird auch hoffentlich nie der Fall sein.

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