Bei Sauwetter, wie derzeit, das einem jegliche Laune verhagelt (gestern Abend war hier in NRW echt Hagel), gibt es nur eins. Ein oder gerne auch zwei gute Bücher, einen schönen Kaffee und eine bequeme Couch.

Wobei … ich lese auch auf dem Hometrainer … aber das ist jetzt nicht das Thema.

Das Thema ist Kalmann. Ein Roman, den mir meine liebe Büchergilde empfohlen hat. Natürlich die Filiale aus Wiesbaden, weil mit der in Düsseldorf werde ich nicht warm, also lieber den belesenen Mädels gemailt und mir die Bücher online bestellt.

Schonmal einen isländischen Krimi gelesen?

Äh … nein …

Na dann …

Ok …

Und mit jeder Seite wird man wärmer mit Kalmann, dem 34-jährigen Sheriff von Raufarhöfn. Er ist ein bisschen zurückgeblieben und man muss ein bisschen aufpassen ihn nicht wütend zu machen, sonst flippt er ein bisschen aus, aber sonst ist er ein Seelchen. Wünscht sich eine Frau, kümmert sich liebevoll um seinen Großvater, wenn ihn jemand zum Altenheim fährt und macht den allerbesten Gammelhai des Landes. Ok. Gammelhai ist nicht mehr sooooo begehrt, tatsächlich stirbt seine regelmäßige Fahrerin Magga an einem Stück, dass ihr die Kehle verklemmt, aber …

… die Leine, wo die kunstvoll verwesten und marinierten Pferdefleischstücke Haie anlocken sollen, weit draußen auf dem Meer, ist auch für die Entsorgung ganz anderer Stücke hilfreich … wenn nötig …

Aber eines nach dem anderen.

Der Roman beginnt mit einer großen Blutlache und einem verschwundenen Hotelier, der als der König von Raufarhöfn gilt. Bei weitem nicht von allen geliebt, aber von allen gefürchtet. Nur vom Sheriff nicht. Natürlich nicht.

Kalmanns Leben ist ganz an der Natur ausgerichtet. Er lebt alleine in dem ältesten Häuschen des Ortes, dass sein Urgroßvater gebaut hat. Seine Mutter ist in der Stadt und arbeitet als Krankenschwester. Sie kann nur alle paar Wochen zu Kalmann kommen, nach dem Rechten sehen. Also verbringt Kalmann seine Zeit damit Schwarzkopf zu jagen. Ein Fuchs, der der Lehrerin Dagbört Angst macht und in Dagbört ist Kalmann seit der Schulzeit verliebt.

In der Schule hat Kalmann sich schwer getan, aber alles was er wissen musste, hat sein Großvater ihn gelehrt. Alles, was logisch ist und die Natur, die ist logisch und hat ganz klare Gesetze: Frauen und Kinder zuerst. Das weiß der Sheriff genau.

Als Kalmann auf einem seiner zahlreichen Streifzüge auf der Suche nach Schwarzkopf eine große Blutlache findet, ist er völlig verstört. Das Verhör durch die Polizei, selbst, wenn die Polizisten Birna ihm sehr gefällt, macht es nicht besser. Er ist sehr verwirrt und wütend. Sein Großvater ist auch keine Hilfe, lebt er doch in seiner eigenen Welt, wo er auf alle und jeden schimpft. Als dann auch noch Magga erstickt gefunden wird, kurz nachdem sie Kalmann zu Hause abgesetzte hatte, da muss Mama kommen.

Tut sie auch. Und sie redet wenigstens nicht dauernd, wie Magga und auch Birna. Aber Mama stößt Birna ordentlich Bescheid, denn die darf ohne sie, als Vormund, gar nicht mit Kalmann reden. Er ist beruhigt.

Für’s erste.

Aber die richtige Prüfung steht für Kalmann noch bevor. Eine, bei dem es um Leben und Tod, um „Frauen zuerst“, um gebrochene Rippen, um Reißzähne und um echtes Heldentum geht. Seinen Stern, den kann er sich verdienen.

Ob er es schafft? Müsst Ihr lesen. Ich habe Kalmann jedenfalls so sehr wie Sheldon Cooper ins Herz geschlossen. Was den Roman von Herrn Schmidt ausmacht ist die Atmosphäre und sind seine Figuren. Beide sind so liebevoll, wunderbar und herzwärmend beschrieben, dass es mich nicht verwundert hat, dass der Schweizer Journalist mit seiner Familie nach Island ausgewandert ist. Man spürt die Zuneigung zu dem rauen Land und den einfachen Leuten in jeder Zeile.

Und dann? Immer noch Sonntag, immer noch Regen, immer noch Kaffee da. What’s next?

Möglicherweise fange ich den vierten Teil der Meyerhoff Reihe an, die mit „Alle Toten fliegen hoch“ ihren einzigartig guten Anfang genommen hatte.

Kennt Ihr das, dass Ihr Euch scheut einen weiteren Teil einer Reihe anzufangen? Und zwar aus gutem Grund, denn Fortsetzungen sind oftmals künstlich aufgebläht. Früher oder später wird alles kommerziell. Ich denke an die letzten Teile von Harry Potter, oder hat man mittlerweile womöglich noch ein paar Teile gefunden? An die Verlängerung der „Biss zum …“ Romane. Naja, die Vampire müssen ja auch Ü50 noch Blutsaugen. Ist halt so …

Ihr seht worauf das hinausläuft. Ich habe Angst, dass ich die Freude, den intensiven Lesegenuss der ersten drei Teile und den Respekt vor dem Autor verliere. Diese Reihe ist einfach anders, als die wunderbar leichten bretonischen Krimis von Jean-Luc Bannalec oder die Abenteuer der vorwitzigen Ermittlerin Flavia De Luce. Die Meyerhoffsche Serie ist zwar streckenweise sehr witzig, aber doch auch tiefsinnig.

Und weil ich nicht bereit bin, mich enttäuschen zu lassen, gebe ich der Flämin Griet Op de Beeck den Vorzug und lasse mich küssen.

Denn immerhin habe ich weder isländische, noch flämische Erfahrung. Das muss geändert werden. Und wenn ein geschätzter Autor über den unschön gestalteten Roman sagt:

Dieses Buch liest sich wie ein Kinofilm: wenn man rausgeht, ist man noch immer sprachlos.

Herman Koch

Dann ist was dran. Und die ersten Kapitel geben ihm Recht. Ich will mehr sehen und verstehe den Hype um diese

Eine furiose Entdeckung aus Flandern.

Madame

Und was treibt Ihr so bei dem überschaubar schönen Wetter?

14 replies on “Bei Sauwetter hilft nur eins.

  1. Hallo Nicole, ich sitze bei dem grausigen Wetter hier und lese Deinen Beitrag und habe mich ganz von der Beschreibung von Kalmann verzaubern lassen. Du hast das so bildhaft beschrieben, dass ich alles wie in einem Kinofilm vor mir gesehen habe. Liegt vielleicht auch daran, dass ich mich in Island verliebt habe, also in das Land. Meine Bücherliste wird durch Deine Empfehlungen mega lang, ich muss mir mal Leseurlaub nehmen.
    Viele Grüße und schönen Restsonntag
    Sigi

    1. 😃 Das freut mich Sigi! Am Ende sollte ich Dir eines mitbringen, wobei ich mich schon sehr auf’s quatschen freue!
      Momentan ist ein Strahl Sonne da und der Wind weht nicht ganz so garstig wie zuvor. Ein Lichtblick. Morgen werde ich auf alle Fälle ins Büro radeln. Bisschen Bewegung muss bei all der Leserei auch sein….

      LG und schönen Sontag noch, Nicole

      1. Hab gerade ein schönes Zitat über Bücher gelesen. Ist von James Russell Lowell:
        „Bücher sind Bienen, die lebenszeugenden Blütenstaub von einem Geist zum anderen tragen.“

  2. Bei mir ist es das Nähen, meistens Upcycling. So rette ich manches Teil vor dem Kleidersack.
    Außerdem habe ich entdeckt (bin wohl ein Spätzünder), dass ich im Fernseher über You Tube die neuesten Fashion Shows sehen kann. Die älteren natürlich auch! Ich komme zu nichts mehr…
    XO Reni

    1. Mega Reni! Es gibt glaube ich vieles, was wir online noch nicht entdeckt haben…. ich kann ja leider nicht nähen…denke da wehmütig an die tollen Kleider, die meine Mutter mir als Kind genäht hat. Z.B. mit gesmokten Oberteilen. Das fand ich immer toll. Da sich bei meiner Oberweite im Grunde seit 45 Jahren nix getan hat, könnte ich das immer noch super tragen 🙂
      Hab nen schönen Sonntag, Reni!

  3. Hallo Nicole,
    bis jetzt bin ich mit Deinen Buchempfehlungen immer gut gefahren. Also habe ich mir auch diese Bücher gleich bestellt.

    Übrigens das letzte Buch „Alte Sorten“ ist ein wirklicher Schatz. Ich habe es gleich nochmal gekauft und an einen lieben Menschen gekauft. Zugleich fühlte ich mich in meine Heimat versetzt. Denn ich komme aus dem unterfränkischen Weinland.

    Einen schönen Sponntagabend wünsche ich Dir
    Erika

  4. Hey Schwester,
    Hagel war hier gestern auch, dazu kein Strom für 2 statt 4 Stunden und somit saß ich auf dem Sofa und habe James Comey angefangen. Nachdem ich zwei Thriller in der Woche vorher hatte.
    Mit nordischen Krimis werde ich nicht warm und habe keine Ahnung warum.
    Musste leicht grinsen: Wenn ich hier etwas vermisse, dann sind das meine Büchermädels und ich suche nach einer Alternative. Schauen wir mal.
    So, jetzt starte fein in die neue Woche und genieß.
    Liebste Grüße
    Nicole

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