Kaum vier Monate weggeblieben und jetzt gleich zwei Artikel unmittelbar hintereinander…ob das nicht ein bisschen viel ist?

Mir doch wurscht. Mein aktuelles Buch MUSS einfach unter die Leute. Ihr kennt mich doch…da hab ich Sendungsbewusstsein.

And here we go: Das Damengambit. Die Geschichte der Waisen und weisen Beth. Einem zunächst achtjährigen Mädchen, deren Eltern gerade umgekommen sind, weswegen sie im Waisenhaus landet. Und da ist es so sch… wie man immer vermutet. Aber Beth findet etwas, dass sie mit großer Liebe und Leidenschaft erfüllt und wofür sie geradezu unheimlich begabt ist: das Schachspiel.

Beth versucht natürlich der Einsamkeit und dem Schmerz zu entfliehen, sich von den unsäglichen Bevormundungen einerseits und den Beruhigungspillen andererseits unabhängig zu machen, aber erst im Keller, bei der stetigen Beobachtung des finsteren Hausmeisters Mr. Shaibel, entdeckt sie ihre wahre Passion. Zunächst will der dem nervigen Nerd nichts zum Spiel sagen, aber Beth bleibt beständig dabei ihm zuzusehen. Schnell lernt sie, wie die Figuren ziehen können und schnell sieht sie das Brett immerzu vor sich. Deutlich klarer und lieber, als die wirkliche Welt. Besonders Nachts.

Man muss ganz und gar kein Schachfan sein, oder gar das Spiel beherrschen, um dieses Buch zu lieben, zu verschlingen, mit zu fiebern, mit zu leiden.

Die Geschichte ist keine tränendrüsige Waisenhausgeschichte, immerhin wird Beth von der durch das Leben enttäuschte Mrs Weathley adoptiert, deren Mann sie direkt am nächsten Tag verlässt. Sie ist vielmehr eine überaus spannende (virtuelle) Dokumentation eines extrem spannenden Lebenslaufs. Beth erlebt ungeheuer viele Höhen und Tiefen. Ist eine Zeitlang abhängig von Pillen und Alkohol, verliert ihre bis dahin ungeliebte Adoptivmutter, aber wächst in ihrem Spiel zu gigantischer Virtualität. Sie hat ein bisschen was von Sheldon Cooper und ich habe es genossen sie zu begleiten.

Im letzten Drittel begegnet sie Ihrem Angstgegner – erneut – dem Russen Borgov. Ob sie ihn, den Weltmeister, schlägt?

Es geht in diesem Buch wirklich fast ausschließlich um Schach…tausende Buchstaben-Kombinationen, Züge, werden einem um die Ohren gehauen. Ich kann gar nicht so genau sagen, was die Faszination ausmacht, obwohl man gar keinen Bezug zu Schach hat, aber glaubt mir einfach: es wird Euch auch begeistern.

Möglicherweise war für mich hilfreich, dass ich mal mit einem leibhaftigen Großmeister liiert war. Mit ihm war ich auf den Schachweltmeisterschaften und kann daher ein bisschen nachempfinden, was im Buch geschildert wird. Zum einen, dass die total verkopfte Schachwelt von mehr oder weniger liebenswerten Nerds beherrscht wird, die allerdings unbedingt sehr spannende Menschen sind – wenn aus skurril …

Aber ich erinnere mich auch sehr gut, wie spannend ich es auch schon damals gefunden habe, als ich vom Presseraum aus zugesehen habe, wie zwei einsame Gestalten in einem Lichtkegel eines ansonsten dunklen Raumes vor einem Tisch mit Schachbrett saßen. In dem Presseraum waren Journalisten aus allen Herren Ländern. Viele Schachbretter standen herum und es war – solange keiner der beiden Protagonisten zog – totenstill. Dann plötzlich der Zug. Hektisches Treiben, Stimmengewirr, Diskussionen, Interpretationen, Rätselraten…eine ungeheure Dynamik, während die beiden Spieler ganz ruhig, im Lichtkegel, in totaler Kontemplation vor sich hin denken. Die Spannung war zum Greifen und hat mich damals ebenso gepackt, wie mein erstes Live – Fußballspiel. Weder von Schach, noch von Fußball hatte ich irgendeine Ahnung, aber diese Stimmung, diese Intensität, diese Passion und Anstrengung, dieses Talent und die Einzigartigkeit des Momentes hat mich mitgerissen.

Das Buch transportiert das! Bitte, bitte lesen.

Und wer hat es empfohlen: natürlich meine lieben Damen aus der Wiesbadener Büchergilde…Danke!

Übrigens war ich nicht lange mit dem Großmeister zusammen. Aber ich habe ihn im Scrabble geschlagen 🙂

14 replies on “Tiefenbegeistert

  1. Ich hätte irgendwie Angst vor einer Beziehung zu einem Großmeister 😉 Habe ich doch von Schach keinen blassen Schimmer und finde das Konzept auch irgendwie – zu verkauft für mich?
    Aber die Netflix-Serie war großartig. Wenn ich die nicht gesehen hätte, würd eich mir jetzt das Buch vorknöpfen. Aber ich habe tatsächlich Probleme, erst eine Verfilmung zu sehen und dann erst ein Buch zu lesen. Da habe ich immer das Gefühl, meine Gedanken werden beschnitten.
    Liebe Grüße
    Fran

  2. Die Geschichte mit dem Schachgroßmeister klingt allerdings auch sehr spannend….

    Davon abgesehen stimme ich in den Chor mit ein: Die Netflix-Verfilmung ist auch sehr gut gelungen. Überraschenderweise wurde die ja in vielen Berliner Locations gedreht, die dann Hotels aus der ganzen Welt darstellen sollten.

  3. Hi Nicole,
    ich habe die Serie gesehen und auch überlegt, mir das Buch zuzulegen. Und wie interessant, dass du mal mit einem Großmeister liiert warst – bestimmt sehr spannende Einblicke in so eine besondere Welt….Schach ist nicht so mein Spiel, ich würde auch lieber eine Partie Scrabble zocken 😀
    Liebe Grüße!

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