EIn typisch herrlicher (HERRlisch!!!!, wie meine Oma intonieren würde) Sonntag neigt sich dem Ende zu. Spät aufstehen, Kaffee trinken, in Ruhe lesen, bisschen Fahrradfahren auf dem Home Trainer (dabei weiterlesen), sich bei der Thaimassage ordentlich einölen und durchkneten lassen und dann auf ein Bierchen zum Fischmarkt. So kann Sonntag.

Ok, zugegeben, nach der Massage in die Stadt laufen uns sich dabei die Entspannung vom garstigen Wind wegpusten lassen war naja. Aber von Anfang.

Während der Massage dachte ich nämlich an den Denkanstoß, den mein aktuelles Buch geliefert hat (übrigens ist sowohl Buch, wie auch Lampe neu).

Es geht (hauptsächlich – zumindest bislang, denn ich bin erst zur Hälfte durch), um eine Frau Mitte 40, die sich den Hintern abarbeitet, dennoch versucht für Ihre zwei Kinder da zu sein und ganz offensichtlich eine Art MidlifeCrisis durchläuft. Zum einen, weil ihre junge Assistentin ihr schmerzlich vor Augen führt, was alles NICHT bei ihr los ist und sie ermutigt, sich über Tinder den Kick zurück in ihr Leben zu holen, der über den Alltag verloren ging, zum anderen, weil sie trotz allem Einsatz noch immer nicht zum Partner avanciert ist.

Und ja. Die Sätze des Autoren (keinen Schimmer, wie ich auf dieses Buch kam, aber es stammt aus der Buchhandlung in meinem neuen Kiez), sind tatsächlich unnachgiebige Beile. Sehr direkt, sehr treffend, sehr bekannt, sehr aktuell und mit dem unnachgiebigen Aufdecken der menschlichen Schwäche befasst.

Denn Helénè, neben Christophe die Hauptprotagonistin, kann so stark, zuverlässig, gründlich, perfekt strukturiert und gut sein, wie sie will. Denn während sie die Quadratur des Kreises neu erfindet, allem und jedem gerecht wird, entspannt sich ihr Mann und auch ihr Boss, dessen Partnerschaft in der Firma sie anstrebt. Und sie?

Sie fühlt sich ausgemergelt, was auch ein Tinderdate nicht ändert, das ihr einmal mehr vor Augen führt, dass sie nicht loslassen kann. Kein Wunder, schließlich trifft sie am geheimen Treffpunkt auf eine Liebschaft aus ihrer frühesten Jugend, die sie in einen Endlosschleife aus „hab ich alles richtig gemacht, hab ich genug gelebt, was wäre gewesen wenn…?“ schickt.

So nachvollziehbar, so erlebt, so unnötig 🙂

Und dabei bleibt es natürlich nicht, denn anstelle der erwarteten Partnerschaft, kommt der vermeintlich neue Guru in die Firma. Der wird natürlich ausführlich unter die Lupe genommen.

Ich bin erst auf der Hälfte des Buches, aber es ist großartig geschrieben und vermutlich gibt es keinen (weder Frau noch Mann), der nicht nachvollziehen kann, was die Protagonisten durchmachen. Die (Ehe)Männer fühlen sich überholt, verstoßen, alt (OMG). Männlein wie Weiblein leiden unter dem absolut hausgemachten Druck. Den Druck, den ausschließlich sie selbst sich machen. Unter dem sie zusammenbrechen, anstatt anstehende Veränderungen anzunehmen.

Ich habe in meinem Berufsleben sehr oft erlebt, welche Panik langjährige Mitarbeiter plötzlich bekommen, wenn neue Chefs, neue Kollegen, neue Strategien, neue Geschäftsführung usw. in einem Wort: Veränderung ansteht.

Und wie reagieren viele darauf? Sie suchen die Schwachstellen der „Neuen“, so wie Helénè. Sie suchen nach Munition. Schlimmstenfalls fangen sie an die „Neuen“ zu diskreditieren, Intrigen zu spinnen, andere aufzuhetzen und vieles mehr.

Warum? Tja, vermutlich weil ihr Selbstbewusstsein nicht sonderlich ausgeprägt ist (unabhängig davon, ob berechtigt oder nicht). Weil Veränderungen ihnen Angst machen. Weil ihre Gläser halb leer sind und sie die Chancen nicht sehen.

Die Chance von einer Durchmischung von sehr erfahrenen und sehr neuen Mitarbeitern mit unbelasteten Blickwinkel. Die einen können zu Recht stolz und selbstbewusst auf ihr Arbeitsleben zurückschauen und müssen verstehen, dass neue Visionen nicht gleichzeitig bedeuten, dass ihre Arbeit falsch war, oder nicht geschätzt wird, sondern wichtig war und ist. Allerdings bedingen aktuelle Situationen und Trends aber möglicherweise ein Umdenken, einen frischen Wind, neue Ideen und neue Herangehensweisen.

Bestenfalls unterstützen erfahrene Mitarbeiter die Jungen, indem sie sie ‚lenken/schützen‘ und lassen sich gleichzeitig von deren Elan beflügeln.

Alles in mir wehrt sich, wenn ich lese, wie wertlos, wie machtlos Helénè sich fühlt. Und ich habe erlebt, wie es ist „ausgemustert“ zu werden. Aber ich hab meine Wunden geleckt, mich neu erfunden und bleibe ein positiver Mensch. Eine Eigenschaft, die mein Leben einfach macht. Ich bin neugierig. Ich begrüße neue Erfahrungen und Veränderung. Zumindest so lange, wie ich mir eine Meinung darüber bilden kann, denn eines ist klar: nicht jede Veränderung ist gut. Aber man sollte ihr eine realistische Chance geben, denn mit jeder anderen (Geistes)Haltung schadet man nur sich selbst. Mit jeder Intrige, mit jeder Ablehnung, mit jeder Art der Vernagelung wächst die eigene Negativität, so dass man schlussendlich von vorneherein nur noch das Haar in der Suppe sucht.

Mir tun Menschen mit solcher Haltung meistens leid, aber da ich auch nur ein Mensch und nicht der Dalai Lama bin, muss ich zugeben, dass ich von solchen Menschen höllengenervt bin.

Das schöne am Menschsein ist ja aber, dass man sich in jedem Alter (und hierauf bestehe ich) ändern kann. Man kann jeden Tag neu anfangen und sich vom althergebracht Blöden abwenden.

Apropos neu erfinden. Ich geh jetzt als Gangstrapper mit meiner Errungenschaft vom heute letzten Fischmarkt für diese Saison. Nun ist Herbst. Und auch der bietet Chancen 🙂

Das Wort zum Sonntag Ende.

Und Ihr so?

Kennt ihr das Stechen und Hauen in Eurem beruflichen Dasein?

15 replies on “Neues und althergebracht Blödes

  1. Ja, jede:r will Veränderung, doch verändern wollen sich nur wenige Menschen.
    Da braucht es Neugier, ein positives Mindset und das absolute Vertrauen, dass man alles meistern kann.
    Aber zwischendrin darf man sich schon mal bemitleiden und die Wunden lecken 😉

  2. Danke für diesen interessanten Post.
    Meine kleine Abteilung (6 Personen) ist gerade mit mehreren anderen Abteilungen umgezogen und zusammengelegt worden.
    Also hat sich quasi fast alles verändert, was einer meiner Kolleginnen totale Probleme bereitet, auch weil sie vom Typ ‚Das habe ich aber doch schon immer so gemacht‘ ist.
    Gepaart mit der Angst vor Bedeutungsverlust und Kritik ist es mit ihr zur Zeit mega-anstrengend, zumal wir alle ja mit den Veränderungen umgehen und uns neu sortieren müssen.
    Atmen ist da ganz, ganz wichtig für mich…..und ausgiebig fluchen, wenn grade niemand in der Nähe ist 😉

    1. hihi….das ist vollkommen in Ordnung zu fluchen. Denke mal lösungsorientierte Auseinandersetzung heißt das Zauberwort. Und in jeder Veränderung steckt eine Chance….
      Viele Glück und Erfolg für Euch!

  3. Ein kluger Freund sagt immer: Veränderung tut weh und deshalb will sie keiner. Ist was dran, denke ich. Und dann gibt es aber auch die Menschen, die Angst vor jeder Veränderung haben. Und die haben sie ja nicht, weil es so lustig ist. Die zu überzeugen ist schwierig. Ich habe mal den Arbeitsablauf einer Redaktion, der 20 Jahre alt war, geändert. Und das war eine Riesenaufgabe. Nochmal würde ich das nicht tun – außer, ich bekomme im Anschluss sechs Monate Urlaub 🙂
    Ansonsten: Das Buch klingt gut, das Reinlesen hat mich neugierig gemacht und neu erfinden tu ich mich auch gerade. Krieg ich jetzt nen Preis?
    Liebe Grüße
    Fran

    1. Also Du bekommst 3 Fleißsternchen und eine Einladung nach Ddorf 🙂
      Womöglich bin ich auch einfach nur anders als andere, hihi….
      Das schöne am Neuerfinden ist, dass alles möglich scheint. Man fängt auf einem weißen Blatt Papier an. Das ist auch der Grund, warum ich so gerne umziehe (ich sag ja, ich bin anders…).
      Das Buch ist wirklich sehr, sehr gut. Glaube, das ist Dein Ding. Lakonisch, tiefsinnig, aber dennoch humorig.
      Bekomm ich jetzt ein paar Schleimsternchen?

  4. Hauen und stechen im beruflichen und mitlerweile auch im privaten ist leider immer mehr geworden. Schade kann ich da nur sagen. Im Moment bin ich an dem Punkt. „Lieber Arbeitgeber, gern hätte ich Homeoffice bis zur Rente“. Dann wäre ich nämlich gern auf Sylt… das ganze Jahr.

    Danke für deinen tollen Artikel.

    LG, Elke

  5. Da ist dir ein super Brückenschlag gelungen vom Buch zu deinen Erfahrungen und deiner Meinung zu Hauen und Stechen. Neue Besen kehren gut ist das Sprichwort was diese Situation gut beschreibt und auch ich habe das natürlich schon miterlebt. Aber ich sehe es wie du, nicht immer läuft alles im Leben rund, aber wer wären wir, wenn wir in solchen Momenten die Flügel strecken? Ich liebe das Leben mit all seinen Hochs und Tiefs, Glücksmomenten und Niederlagen und gerade mit 50 finde ich es mega spannend, sich noch einmal neu erfinden zu können.
    Liebe Grüße zu dir liebe Nicole
    Sigi

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