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Grenzwertig schlecht!

Was ist „Das wirkliche Leben“? Geht man nach Adeline Dieudonné, ist es offenbar die ewige Quälerei einer amöbenhaften Ehefrau, die sich von ihrem großwildjagenden Mann nach allen Regeln der Kunst terrorisieren lässt. Man(n) hat mir dieses vielbesprochene, hochgelobte, mit 14 Literaturpreisen, in 20 Sprachen übersetzte Werk gegeben. Und ich gebe zu, es ist zunächst ein Pageturner. Eine Seite ist schlimmer, als die nächste, um nicht zu sagen: erschütternder.

Während ich lese, oder vielmehr schockiert absorbiere, wie die 10-jährige Amöbentochter (sie nennt die Passivität ihrer Mutter amöbenhaft), sich und den kleinen Bruder versucht aus diesem „wirklichen Leben“ zu entwinden, frage ich mich, woran der Reiz dieses Buches liegt.

Ist es eine Art Voyeurismus, vergleichbar mit Fifty-Shades-of-Grey? Gewalt, die wir irgendwie gut finden, die uns irgendwie anmacht? Wie ist es zu erklären, dass Untiefen uns anziehen?

Ist es tatsächlich das, was wir für unser wirkliches Leben wollen, oder sind wir noch beim faszinierten, leicht angewiderten Lesen? Mit gerunzelter Stirn, angeekelt verzogenem Mund, zusammengekniffenen Augen, um nicht ganz richtig hinzuschauen tauchen wir in die Abgründe und fühlen uns wie? Gut, weil es uns zum Glück nicht so geht? Genervt, weil die Protagonisten nichts an ihrer Situation ändern? Schlecht, weil wir nicht aufhören können, ohne einen Sinn zu sehen? Sehr schlecht, weil es ganz tief drinnen etwas in uns triggert – unsere ganz dunkle Seite?

Wieviel Dominanz wollen wir ausüben? Wieviel freiwillig erdulden? Was ist der Reiz von Dominanz – in der einen oder anderen Richtung? Was macht es aus Macht über jemanden zu haben? Und wann ist für die Beherrschten der Punkt erreicht, an dem es zuviel wird, an dem sie beginnen zu meutern, an dem sie sich wehren? Sicherlich interessante Fragestellungen, die das Buch nicht, also gar nicht berührt. Wie es sonst keine erklärbare Daseinsberechtigung hat.

Ich weiß nur eines….ich steige an dem Punkt aus dem Buch aus, wo das Mädchen von seinem Vater zur Beute der Jagd gemacht wird. Sie bzw. eine Haarlocke von ihr soll die Beute der nächtlichen Hatz von vier Halbwüchsigen und deren Vätern sein. Dabei der kleine Bruder, der infiziert von der Gewalttätigkeit seines Vaters ist.

Dieses Buch brauche ich definitiv nicht in meinem wirklichen Leben. Es ist einfach nur abstoßend.

Die unglaublich zahlreich euphorischen Rezensionen kann ich in keinster Art und Weise nachvollziehen. Ich bin weder der Ansicht, dass es besonders gut geschrieben ist (es ist ok), noch dass es kurzweilig, spannend oder gar kraftvoll ist. Es ist grausam.

Ok. Ich gebe zu, ich kann auch nicht verstehen, warum man sich Horrorfilme ansieht. Also freiwillig. Das ist derart weit weg von mir.

Ich will mich nicht fürchten. Schon gar nicht im „wirklichen Leben“. Ich lese, um mich zu entspannen. Ich lese, um andere Welten zu besuchen, ohne vom Küchentisch aufstehen zu müssen. Ich lese, um andere Sichtweisen kennenzulernen. Ich lese, eher als fernzusehen, weil ich eigene Bilder in meinem Kopf entwickle, weil Geschichten mich amüsieren, berühren, mich weiterbringen. Wenn ich mich nicht gut fühle, kann ich mich von einer lustigen Geschichte aufheitern, oder von einer phantasievollen Geschichte forttragen lassen.

Ich wehre mich nicht gegen schwierige Geschichten, gegen Tiefgang, ganz und gar nicht. Je psychologischer, desto besser.

Hm. Was soll ich noch sagen. Es gibt so viel Hass, soviel Unruhe(n) im wirklichen Leben, in der wirklichen Welt, wieder und wieder, dass ich den Wunsch sich solchen Spladder-Kram anzutun, der aus meiner Perspektive keinerlei psychologische Tiefe, Weisheit, erstrebenswerte Stärke oder irgendeinen positiven Aspekt enthält, nicht nachvollziehen kann.

Würde mir jemand sagen, wie gut er dieses Buch findet, würde ich ihn ansehen, als hätte er Nikolas Sparks gelobt. Beides finde ich überaus niveaulos.

So. Isch abe fertisch.

Und jetzt mach ich Yoga und bete für den Weltfrieden.

Übrigens…ein Neuankömmling hat es an die Wand geschafft. Ich bin ganz verliebt und kann nun in einem wunderbaren Lichtkegel wunderbare Bücher lesen.

Schönen Sonntag zusammen.

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