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Liebe in Zeiten der Cholera

Äh. Moment. Corona meinte ich. Wie steht es denn eigentlich um die Liebe dieser Tage?

Einerseits haben wir Paare, die 24/7 so langsam an Grenzen führt, andererseits sind da die, die frisch verliebt sind, oder sich verlieben möchten. In beiden Konstellationen ist es schwierig mit der Nähe. So wird es voraussichtlich eine gleichermaßen hohe Geburten- wie Scheidungsrate geben, bei denen die schon vor Corona zusammen waren.

Aber was, wenn man sich gerade erst kennenlernt? Maskenpflicht in Düsseldorf, geschlossene Restaurants und Kneipen, Home Office im Quadrat…ja wie lernt man sich den näher kennen, ohne einander nah zu kommen?

Nun. Zum einen bedarf es vielleicht Geduld. Vielleicht bedarf es einer anderen Herangehensweise. Brieflich? Also natürlich meine ich damit moderne Medien. In der wohl schönsten Liebesgeschichte, die ich kenne, beschreibt Márquez genau das.

51 Jahre, 9 Monate und 4 Tage wartet Florentino Ariza auf Fermina Daza. Schon als Achtzehnjähriger hat er sich unsterblich in sie verliebt, in ihren stolzen Gang und den schweren Zopf auf ihrem Rücken. In poetischen Briefen hat er um sie geworben, für kurze Zeit ihre Aufmerksamkeit gewonnen, und sie dann doch an Doktor Juvenal Urbino verloren. Aber nie hat er aufgehört, sie zu lieben.

Quelle: http://www.amazon.de

Aber natürlich muss man kein halbes Leben warten, um endlich die faltigen Hände auf der Reling zusammenfügen zu können. Und heutzutage muss man auch nicht die Flagge für ‚Cholera an Bord‘ hissen, um Abstand vom Rest der Menschheit zu bekommen.

Nein. Heutzutage hat man Abstand genug. Aber so lange man sich noch draußen im Park treffen kann, um die erste Annährung mit Abstand zu zelebrieren, solange bleibt es romantisch beim Sonnenuntergang.

Corona hat die Entschleunigung auch in Sachen Liebe bewirkt. Vermutlich Fluch und Segen für Viele. Was soll ich sagen?! Ich bin eine bekennende Romantikerin, die Bücher wie „Die Liebe in Zeiten der Cholera“, oder Klassiker aus dem 19. Jahrhundert verehrt. Zum einen wegen der feinsinnigen Sprache, zum anderen wegen der Zartheit, der Langsamkeit, der – letzten Endes – Reinheit der Liebe.

Apropos Sprache, apropos schätzen (im Sinne von respektieren), apropos Schatz (im Sinne von Kostbarkeit)…da hab ich noch was für die Zeit alleine.

Der Wort Schatz, oder Wortschatz ist ein echter Schatz. Eine Hommage an Sprache, an Worte, die Wörtchen sprechen und auf ihrem Weg gegen das Vergessen (durch Klammern) kämpfen.

Protagonist ist ein Wort, dessen Bedeutung es selbst und wir nicht kennen. Erst auf dem langen Weg, an dessen Anfang das Aussprechen eines Menschen steht, findet das Wort zu sich selbst. Es trifft seinen Artikel, es entkommt der Bedeutungslosigkeit und dem Vergessen, es hält Stand bei den Wortspielen und all das, obwohl es zwischen die Stimmbänder gerät und fast weggesungen wird.

Am Ende der Reise trifft es auf den Menschen, der dem Wort seine Geschichte gegeben hat. Der es am Leben hält, indem er schreibt und liest, der es und alle anderen Worte achtet und dafür sorgt, dass sie nicht Vergessenheit geraten. Der den Wortschatz schätzt.

Eine zauberhafte Geschichte, geschrieben von einem jungen Mann, ohne Verlag veröffentlicht, eben ein Liebhaberstück. Zart und süß wie der erste Kuss. Solange es Menschen gibt, die schöne Geschichten in sich tragen, solange gibt es Leben, Liebe und Hoffnung.

Das Wort zum Sonntag.

PS: Ermutigend, dass die Medien den roten US-Clown endlich mal abwürgen. Es gibt eben einfach auch zu viel der Worte.

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